Mit wärmsten Worten empfahl der Büchnerpreisträger Arnold Stadler schon in den Neunziger Jahren einen noch unbekannten Dichter namens Koch dem österreichischen Residenzverlag. Trotz Stadlers Referenz und reichlichen Gedichtveröffentlichungen blieb der 1966 in Winsen an der Luhe geborene Ulrich Koch über die Jahre hinweg im deutschsprachigen Raum wenig bekannt. Ja, der vielbeschäftigte Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma, der „nebenbei“ Gedichtband für Gedichtband schreibt, ist fast bis heute ein zuverlässiger Geheimtipp.
Bemerkenswert unspektakulär sind die Orte und Landschaften, die Ulrich Koch besingt. Die verlockenden Metropolen interessieren ihn kaum. Eher die stillen Dörfer und Kleinstädte, denn gerade diese Orte provozieren eine besonders beharrliche Suche nach Glück, Klarheit und sinnvoller Welt. Für Ulrich Koch sind diese Orte Quelle seines Schreibens, er fängt sie in knappen Miniaturen ein. Hier gibt es für ihn „Sonntagnachmittage, vom Regen ans Fenster genagelt“, lebt die Nachbarin im „Einbaum ihres siebzigjährigen Körpers“, wird die „Dämmerung aufgeschüttelt“ wie in den Häusern die Betten vorm Schlafengehen und gleichen die Gräber „gekenterten Booten“. Für den Rezensenten Martin Brinkmann von der ZEIT waren Ulrich Kochs Gedichte bereits 2009 eine Entdeckung. Er nannte ihn den „Sänger der entvölkerten Vorstädte und menschenleeren Provinzen“. In Kochs „liebenswert misanthropischen“ Gedichten erhielten diese Vorstädte und Provinzen eine besondere Würde. Was ist der Mensch, was macht ihn aus? Auch wenn Ulrich Kochs Gedichte noch so alltäglich daherkommen, wenn sie sich Dorf, Bushaltestelle, Fuchsspur, Schlachterschürze, Autobahnbrücke oder Garagenflohmarkt widmen, liegen grundsätzliche Fragen unter diesen Allerweltsgeschichten. Mit Gedichten schreibt Ulrich Koch an gegen eine Entpoetisierung und Verzweckdienlichung der Welt, in der sich, wie er es so traurigschön formuliert, „die Engel an die Steinwürfe“ gewöhnt haben.
Als Ulrich Koch im vergangenen Jahr die Nachricht vom ihm zuerkannten Höltypreis, einem der wichtigsten Preise für deutschsprachige Lyrik, erhielt, gestand er, dass er kurz zuvor ernsthaft überlegt hatte, aufgrund ausbleibender Resonanz mit dem sich zunehmend vereinsamenden Schreiben aufzuhören. Zum Glück musste er es nicht und neue Gedichtbände sind am Entstehen.
Ulrich Koch liest veröffentlichte und noch unveröffentlichte Gedichte.
Wusstest du, Ulrich Koch, denn nicht, dass ich,
Ulrich Koch, dich, Ulrich Koch, beobachte?,
schreibt mir, Ulrich Koch, Ulrich Koch
heimlich. Wie kann ich,
antworte ich leise, wissen, was ich weiß,
bevor ich lese,
was ich schreibe?
(Neue Zürcher Zeitung, zum Gedichtband „Uhren zogen mich auf“)
ULRICH KOCH, geboren 1966 in Winsen an der Luhe. Lebt in Hamburg, Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma. Veröffentlichungen u.a.: Weiß ich (Residenz 1995), Auf mir, auf dir (Residenz 1998), Nach Wörteralgen taucht der Dichter, Lyrik aus vier Jahrzehnten, Anthologie (Residenz 2004), Der Tag verging wie eine Nacht ohne Schlaf (poetenladen 2008), Lang ist ein kurzes Wort (poetenladen 2009), Uhren zogen mich auf (poetenladen 2012), Dies ist nur der Auszug aus einem viel kürzeren Text. (Jung und Jung, 2021). Ulrich Koch erhielt 2022 den Friedrich-Ludwig-Hölty-Preis.
Mit freundlicher Unterstützung des Brandenburgischen Literaturbüros.