Dem im wahrsten Wortsinn Brennpunkt-Thema „Energie“ widmet sich die sechste Ausgabe der Zeitschrift „Dritte Natur – Technik Kapital Umwelt“. Die im Verlag Matthes & Seitz Berlin herausgegebene Zeitschrift schafft seit ihrem ersten Erscheinen 2018 einen Raum für aktuelle Debatten über Natur und Technik, Ökologie und Ökonomie, Politik und Ästhetik. Herausgegeben wird die „Dritte Natur“ vom Literatur- und Kulturwissenschaftler Steffen Richter, der die sechste Ausgabe an diesem Abend vorstellen wird, und vom Verleger Andreas Rötzer.
Spätestens seit dem russischen Krieg in der Ukraine steht die Energie im Mittelpunkt politischer, ökonomischer und kultureller Debatten: Sabotierte Pipelines, gebrochene Staudämme und beschossene Atomkraftwerke machen die Verletzlichkeit unserer Energieinfrastrukturen greifbar – und die unserer gesamten energieintensiven Lebensform. Das fossile Zeitalter brachte der westlichen Welt weitreichende Freiheiten. Zugleich aber untergräbt es die globalen Lebensgrundlagen und macht die Abhängigkeiten sicht- und spürbar, mit denen diese Freiheiten erkauft sind. Damit überlagern sich die vom Krieg angefachten Diskussionen über Versorgungssicherheit mit Debatten, die seit langem über die Notwendigkeit einer postfossilen Kultur geführt werden. Denn: Energieformen prägen Kulturformen.
Energie ist aber auch eine poetologische Kategorie. Als ›energeia‹ (Tätigkeit, Tatkraft), wie von Aristoteles definiert, kann sie etwas deutlich vor Augen führen. Zeitschriften entstehen aus literarischen Schreibenergien.
In dieser sechsten Ausgabe geht es um die unterschiedlichsten Energieformen und -erscheinungen: um Energieangst und Energielust, Krieg und Kapital im Zeitalter des Klimawandels, Energiemanagement der Finanzmärkte, autofreie Sonntage in der alten Bundesrepublik, die Neuvernetzung emotionaler Energien im 20. Jahrhundert, Ecological Art, einen energiereichen Fluss im Friaul, Windradromane wie überhaupt Energiesysteme als Superstruktur in der Gegenwartsliteratur, einen Song über einen Polarforscher im Ruhestand, welcher mit dem französischen Philosophen Michel Foucault zu Abend isst oder das „ohrenbetäubende Geschrill“ der Zikaden.
STEFFEN RICHTER, 1969 geboren, ist Literatur- und Kulturwissenschaftler. Seine Bücher beschäftigen sich mit Gegenwartsliteratur (Trauerarbeit der Moderne, 2003), dem Literaturbetrieb (Texte – Märkte – Medien, 2011) und dem Zusammenhang von Literatur und Technik (Infrastruktur. Ein Schlüsselkonzept der Moderne und die deutsche Literatur 1848-1914, Matthes & Seitz Berlin 2018).