11. Januar 2020 – 19 Uhr | Jan Wagner: Die Eulenhasser in den Hallenhäusern

© Villa Massimo/Alberto Novelli

Jan Wagner bringt zu seiner Lesung einen abendfüllenden Vorrat an Gedichten und Prosa mit: Auftreten werden nicht nur Eduard Friedrich Mörike und ein alter Biker, sondern auch Giersch, ein irischer Pub, drei Verborgene, englische Getränke, Flughäfen, französischer Käse und sogar ein einzelner Teebeutel.

„Jan Wagners Gedichte verbinden spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung, musikalische Sinnlichkeit und intellektuelle Prägnanz. Entstanden im Dialog mit großen lyrischen Traditionen, sind sie doch ganz und gar gegenwärtig. Aus neugierigen, sensiblen Erkundungen des Kleinen und Einzelnen, mit einem Gespür für untergründige Zusammenhänge und mit einer unerschöpflichen Phantasie lassen sie Augenblicke entstehen, in denen sich die Welt zeigt, als sähe man sie zum ersten Mal.“ Mit dieser Begründung hatte die Jury Jan Wagner 2017 den wichtigsten deutschen Literaturpreis, den Georg-Büchner-Preis, zuerkannt.

Aufgewachsen ist Jan Wagner zwischen Stadt und Land im Süden Schleswig-Holsteins. Von daher rührt seine enge Verbindung zu Gärten und Natur. „Der alte Pflaumenbaum, der hat für mich eine Magie. Oder der knorrige Apfelbaum vorm Küchenfenster: Wenn der umfällt und abgeholzt wird, vermisst man ihn schmerzlich. Auch die Regentonne, der das Titel-Gedicht in meinem Buch ‚Regentonnenvariationen‘ gewidmet ist, verbinde ich mit der Kindheit… Es gibt viele Autoren, die in der Kindheit ihr Bildreservoir sehen, was man da erlebt und an Eindrücken bekommt, das bleibt ein Leben lang. All das schlummert lange in einem, und irgendwann kommt es raus. Wenn es reif genug ist, dass man darüber schreiben kann und muss.“

Zahlreiche Gedicht- und Essaybände sind seit den ersten Gartenerlebnissen entstanden, viele Gedichte Jan Wagners umkreisen die Erfahrungen mit der Natur. Nahezu berühmt ist „Giersch“, ein wörtliches Anschreiben gegen die enorme Widerstandskraft dieses Unkrauts. „Wir saßen in einer Runde von Freunden, lauter Kleingärtner, ich war der einzige Balkonbesitzer und konnte deshalb nicht wirklich mitreden. Alle jammerten und stöhnten und beklagten sich über den Giersch, weil sie mit ihm ständig zu kämpfen haben, und weil also das Wort Giersch immer wieder fiel, zu einer Art Klagegesumm wurde, merkte ich, was in dem Material drinsteckt, sah die Gier, die passenderweise im Giersch schon enthalten ist, und während ich dort saß und zuhörte, konnte ich mich ganz und gar auf den Sprachgiersch konzentrieren, darauf, was in dem Wort steckt, und im Grunde an Ort und Stelle schon anfangen zu sammeln und zu schreiben.“

(Zitate: Tagesspiegel / Interview Susanne Kippenberger, 20.06.2017)

JAN WAGNER, geboren 1971 in Hamburg, lebt seit 1995 in Berlin. Er ist Lyriker, Übersetzer englischsprachiger Lyrik (unter anderem von Charles Simic, James Tate, Simon Armitage, Matthew Sweeney, Jo Shapcott und Robin Robertson), Essayist und Herausgeber von Anthologien.
Zu seinen jüngsten Publikationen gehören die Gedichtbände „Selbstporträt mit Bienenschwarm. Ausgewählte Gedichte 2001-2015“ (2016) sowie „Die Live Butterfly Show“ (2018), der Essayband „Der verschlossene Raum. Beiläufige Prosa“ (2017) sowie gemeinsam mit Tristan Marquardt die Minnesang-Anthologie „Unmögliche Liebe“ (Hanser Verlag, München 2017) und mit Federico Italiano die Anthologie „Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas“ (Hanser Verlag, München 2019).
Für seine Gedichte, die in vierzig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er unter anderem den Preis der Leipziger Buchmesse (2015) und den Georg-Büchner-Preis (2017).

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