AKTUELL 22. März | 19 Uhr : Manos Tsangaris – „wir hier versuchen ihnen das warten zu verschönern“

Foto: Igor Meghega

An diesem Abend geht es um Vieles – und unter anderem um das Warten. Der Komponist Manos Tsangaris bringt eigene Kurzprosa und Gedichte mit, darunter seinen letzten Band mit dem sprechenden Titel „wir hier versuchen, ihnen das warten zu verschönern, bis sie das buch zuende gelesen haben“ und dazu diverse Musikinstrumente der allerungewöhnlichsten Art.
Warten, das man vollendet beherrscht, wird als Kunst angesehen. Dabei bedeutete der Begriff Warten ursprünglich ganz neutral einfach nur „seinen Blick auf etwas richten“, war also pure notwendige Aktion und hatte mit Zeit wenig zu tun. Der gerichtete Blick ist eines der wichtigsten Voraussetzungen, um Lyrik zu schreiben.
Wer heute wartet, wer jemandem oder etwas entgegensieht, dem scheint hingegen einfach nur die Zeit besonders langsam zu vergehen. Wem gelingt schon gelassenes, freudiges Ausharren? Deshalb ist das Warten schon immer ein verführerisches Motiv in der Literatur gewesen. Bei Samuel Beckett  wird auf Godot gewartet, bei Thomas Mann begegnet Aschenbach dem Jüngling Tadzio genau im Moment des Wartens, E.T.A. Hoffmann erzählt, wie eine junge Frau lange Jahre vergebens auf ihren kurz vor der Hochzeit im Bergwerk von Falun verschwundenen Bräutigam wartet.  Der Philosoph und Medienwissenschaftler Joseph Vogl wiederum beschreibt in seinem Buch „Über das Zaudern“ das Warten als Schwellensituation zwischen Handeln und Nichthandeln. Und was meint Manos Tsangaris? „in erwartung des endes / oder des jüngsten gerichts // in erwartung einer niederkunft / einer wiederkunft // einer nachhaltigen erkenntnis / oder plötzlichen erleuchtung // eigentlich warten wir immer.“

Manos Tsangaris ist Komponist, Musiker, Installations- und Performancekünstler. Er studierte beim Komponisten Mauricio Kagel, der Humor als eine ernste Sache ansah und der ein Spezialist für die bizarren Formes des Musiktheaters war.  Neben zahlreichen Kompositionen gibt es von Manos Tsangaris auch mittlerweile acht Gedicht- und Werkbücher, aus denen er an diesem Abend lesen wird. Tsangaris’s Lyrik kommt wie seine Kompositionen aus besagter Quelle: Musik wie Poesie in allem entdecken, unerschöpfliche Ideen haben, ungewöhnliche Mischungsverhältnisse wagen, die Prägnanz und Überraschung der Kurzformen schätzen, querdenkend gerade sein.

„‚wir hier versuchen, ihnen das warten zu verschönern‘ – So schön, erheiternd, ironisch, philosophisch und auch lehrreich kann die meist als unnütz und langweilig angesehene Zeit des Wartens beschrieben werden. Dieses Buch verschönert die Wartezeit kunstvoll und geistreich!“

(Radius Verlag)

 

Foto: Fabian Stuertz

MANOS TSANGARIS, geboren 1956, ist Komponist, Schlagzeuger,  Installationskünstler und zählt zu den bedeutendsten internationalen Vertretern des neuen Musiktheaters. Seine Werke wurden u.a. bei den Donaueschinger Musiktagen, den Wittener Tagen für neue Kammermusik, dem Belgrader Internationalen Theaterfestival, der Biennale Venezia, dem Ultima Festival Oslo oder dem Warschauer Herbst aufgeführt. Seit den 1970er Jahren macht Manos Tsangaris innerhalb unterschiedlicher künstlerischer Formate die Bedingungen einer Aufführung zum wesentlichen Gegenstand seiner Kompositionen. 2011 gründete er das „Internationale Institut für Kunstermittlung“ (www.iike.de) und widmete sich Forschungen auf dem Gebiet der szenischen Anthropologie. Er war 2009-24 Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und ist seit 2016 künstlerischer Leiter der Münchener Biennale für Neues Musiktheater (gemeinsam mit Daniel Ott). Manos Tsangaris ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste,  der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Akademie der Künste Berlin und hier seit 2024 ihr Präsident.

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