Die Punks im Osten sind ein wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte. Ähnlich wie bei den westdeutschen Punks sorgte ihr Zweifeln für Ächtung. Allerdings mit schwerwiegenden Folgen.
Wie groß war die Szene? Wie lebten Punks in der DDR? Wo und wie gaben sie Konzerte? Wie klang ihre Musik? Welchen Schikanen durch die Staatssicherheit waren sie ausgesetzt?
Eine Compilation aus drei Vinyl-Schallplatten und ein 80-seitiges Booklet „Too Much Future. Punk in der DDR“ geben Auskunft. Die erste Auflage erschien 2010 und war innerhalb weniger Tage vergriffen. In diesem Jahr erschien eine neue überarbeitete und erweiterte Auflage, zweisprachig Deutsch und Englisch. Schwerpunkt sind die Szenen in Ostberlin und Leipzig, aber auch der Punk in Dresden, Erfurt und Weimar wird einbezogen.
„Too Much Future“ versammelt ausschließlich ehemals illegale Bands, die ohne staatliche Spielerlaubnis bewusst Underground waren. Einige von ihnen spielten nie vor Publikum. Die Bands, die gelegentlich live zu sehen waren, traten konspirativ auf. Etliche Musiker wurden anschließend drangsaliert, inhaftiert und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Viele der Bands sind bis heute unbekannt. Neben einigen Klassikern des DDR-Punkrock veröffentlicht „Too Much Future“ vor allem Bands oder Songs, die aufgrund teils jahrelanger Recherchen zum ersten Mal zu hören sind. Die Compilation funktioniert durch ein umfangreiches, ca. 100 Seiten starkes Booklet auch als Buch.
Die beiden Herausgeber der Compilation waren selbst Teil der frühen DDR-Punkszene: Henryk Gericke, der das Buch vorstellen wird, sang in der Ostberliner Punkband The Leistungsleichen und Maik „Ratte“ Reichenbach spielte Bass in der Leipziger Punkband H.A.U. und in der Punkrocklegende L’Attentat.
„Der Widerstand der Punks richtete sich gegen eine Musterutopie – das ‚No Future‘ der westdeutschen Punks hieß bei den Punks im Osten ‚Too Much Future‘.“ Henryk Gericke
HENRYK GERICKE, geboren 1964 in Berlin Prenzlauer Berg, lebt ebenda. Autor, Herausgeber und Galerist. 1981-82 Sänger der Ostberliner Punkband The Leistungsleichen. 1985-89 Herausgeber unabhängiger Editionen und Samisdat-Hefte (Caligo, Autodafé, Art. 27, Braegen) sowie Autor in anderen unabhängigen Editionen (Anschlag, Ariadnefabrik, Liane, Verwendung u.a.). 1990 Mitbegründer des Verlages Druckhaus Galrev. Seit 1997 unter dem Zweitnamen Nic Sleazy auch als DJ aktiv. 2004 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin. Ab 2005 diverse Bücher, Veröffentlichungen, Ausstellungen, Rundfunkproduktionen sowie ein Dokumentarfilm zum Thema Subkultur in der DDR. 2010 Gründung der Staatsgalerie Prenzlauer Berg. Seit 2019 Herausgeber der Schallplatten-Edition tapetopia – GDR Undergroundtapes. 2021 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin.