Kann ein Duft Geschichte aufbewahren? Zwei Parfums liefern Karl Schlögel den Stoff, die europäischen Abgründe des 20. Jahrhunderts neu zu erzählen. Durch die Turbulenzen der Revolution gelangte die Formel für einen Duft, der zum 300. Kronjubiläum der Romanows kreiert worden war, nach Frankreich. Er lieferte die Grundlage für Coco Chanels Nº 5 und für sein sowjetisches Pendant Rotes Moskau, das bis heute unter diesem Namen produziert wird. Verantwortlich für die Parfümindustrie war Polina Schemtschuschina, die Frau des Außenministers Molotow. Sie fiel später einer Säuberungskampagne zum Opfer — und Coco Chanel kollaborierte mit den deutschen Besatzern. Ein unscheinbarer Zufall führt Karl Schlögel zu erstaunlichen Entdeckungen in einer Epoche, die wir gründlich zu kennen glaubten.
KARL SCHLÖGEL, Jahrgang 1948, hat an der Freien Universität Berlin, in Moskau und Leningrad Philosophie, Soziologie, Osteuropäische Geschichte und Slawistik studiert. Bis 2013 lehrte er als Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
Veröffentlichungen u.a.: Petersburg – Das Laboratorium der Moderne 1909-1921, Im Raume lesen wir die Zeit (2003), Marjampole (2005), Terror und Traum (2008 – dafür erhielt er 2016 den Preis des Historischen Kollegs), Moskau Lesen (2011), Grenzland Europa – Unterwegs auf einem neuen Kontinent (2013), Entscheidung in Kiew – Ukrainische Lektionen (2015), Das sowjetische Jahrhundert – Archäologie einer untergegangenen Welt (2017 – dafür erhielt er 2018 den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch / Foto: Heike Huslage-Koch).