Saul Tschernichowski 

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SAUL TSCHERNICHOWSKI    (1875 – 1943) 

Saul Tschernichowski wurde 1875 im Dorf Michajlovka im Gouvernement Taurien geboren, wuchs mit dem Russischen, Ukrainischen und Jiddischen auf und lernte früh Hebräisch. In den 1890er Jahren gehörte er zu einem kleinen Kreis Odessiter Hebraisten. Von 1899 bis 1906 studierte er Medizin in Heidelberg und Lausanne und lebte von 1922 bis 1932 nahezu unbemerkt in Fichtengrund (nördlich von Berlin), während er in allen Teilen der hebräischen Welt als nationaler Dichter gefeiert wurde. Erst 1932 gelang dem Kinderarzt und Dichter die Emigration nach Eretz Israel, wo er bis zu seinem Tod 1943 unter dem Eindruck der europäischen Ereignisse sein Spätwerk verfasste.
Mit Saul Tschernichowski wurde die hebräische Literatur auf einen Schlag zu einer europäischen Literatur. Nicht allein deshalb, weil er mehr europäische Metren und Genres in die hebräische Lyrik einführte als jeder andere Dichter. Seine Lyrik war europäisch, weil das Hebräische schon immer zur europäischen Kultur gehörte. Tschernichowski übersetzte Homer, Horaz, Molière, Shakespeare und Goethe aus dem Original. Aus dieser Erfahrung schuf er, was seinem Jugendfreund Joseph Klauser (Onkel des Romanciers Amos Oz) als Lebensmotto galt – einen „hebräischen Humanismus“. Die 2019 in der edition rugerup erschienene dreibändige Ausgabe „Dein Glanz nahm mir die Worte“ entstand als mehrjähriges Forschungsprojekt an der Hebräischen Universität und am University College London. Die drei Bände wurden übersetzt und herausgegeben von Jörg Schulte, sie enthalten u.a. mehrere Essays zu Dichter und Übersetzung. Eine  kommentierte Werkausgabe des komplexesten Werkes der „hebräischen Renaissance“ steht im Hebräischen noch aus.

„Saul Tschernichowski war ein außergewöhnlicher Dichter und Übersetzer, der die hebräische Literatur der Moderne öffnete. Geboren 1875 in Russland kam Saul Tschernichowski früh in seinem Elternhaus mit der Haskala, der ‚Jüdischen Aufklärung‘, in Berührung. Die hebräische Dichtung, die bis zur Haskala im Wesentlichen für den liturgischen Gebrauch bestimmt war, erfuhr durch Tschernichowski entscheidende Impulse. Er hob schlicht und einfach ihre strengen formalen und inhaltlichen Kriterien auf, indem er sich der Welt-Literatur zuwandte. Saul Tschernichowski übersetzte Sophokles, Homer, Shakespeare, Molière, Shelley, Goethe, Heine und Puschkin, die ihm eine Welt eröffneten, die fortan seine eigene Dichtung nachhaltig prägte. Das vorliegende Werk in drei Bänden ‚Dein Glanz nahm mir die Worte‘ umfasst Sonette, Gedichte, Idyllen und Autobiographisches, wobei Band 3 einen umfassenden Kommentar zu seinem Werk liefert, der nicht nur für ausgewiesene Germanisten interessant sein dürfte.“ (Matthias Ehlers, WDR1)

Foto: Š. Bajeris/ Kaunas 

Lesung und Gespräch mit der Verlegerin von Saul Tschernichowski, Margitt Lehbert / Edition Rugerup :

 

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